Sushi-Sicherheit: Ciguatera-Vergiftung erkennen und vermeiden
Zwischen Sushi Genuss und Gefahr. Wichtige Fakten und Tipps zur Prävention der tropischen Fischvergiftung

Ciguatera-Vergiftung, eine Form der Lebensmittelvergiftung, die durch den Verzehr von Fisch verursacht wird. Die Vergiftung ist weltweit verbreitet und betrifft insbesondere Liebhaber von Meeresfrüchten und Sushi. Der Verzehr von kontaminiertem Fisch, der das Toxin Ciguatoxin enthält, führt zu dieser spezifischen Vergiftung. Da Sushi überwiegend aus Fisch hergestellt wird, ist es von besonderer Bedeutung, die potenziellen Risiken von Ciguatera zu verstehen. In diesem Artikel werden die Zusammenhänge zwischen Ciguatera und dem Verzehr von Sushi untersucht, und es werden Einblicke in die Prävention und sichere Handhabung von Fisch gegeben, um die Gefahr einer Vergiftung zu minimieren.
Inhaltsverzeichnis
Was ist Ciguatera? Ein Einblick in die Toxikologie
Ciguatera oder Ciguatera-Fischvergiftung (CFP) ist eine durch Nahrungsmittel übertragene Erkrankung, die durch den Verzehr von Riff-Fischen entsteht, deren Fleisch mit bestimmten Toxinen kontaminiert ist. Ciguatoxin senkt den Schwellenwert der spannungsgesteuerten Natriumkanäle in den Membranen der Nervenzellen und verursacht eine Depolarisierung, wodurch Gamma-Aminobuttersäure und Dopamin freigesetzt werden. Bei den Patienten treten dann verschiedene neurologische Symptome auf.[1]
Die für diese Erkrankung verantwortlichen Toxine sind Ciguatoxin und Maitotoxin. Diese Toxine werden überwiegend von einer kleinen marinen Mikroalge namens Gambierdiscus toxicus produziert, die in tropischen und subtropischen Gewässern auf und um Korallenriffe herum wächst. Gambierdiscus ist eine Gattung benthischer Dinoflagellaten, die von besonderer Bedeutung für das Auftreten von Ciguatera ist. Es existieren allerdings noch weitere Algenarten, die Ciguatera verursachen können.[2]
Diese Mikroalgen heften sich an verschiedene Oberflächen wie Algen, Seegräser und Korallenstrukturen. Herbivore Fische, die sich von solchen Algen und Seegräsern ernähren, nehmen dabei die Dinoflagellaten-Mikroalgen auf. Diese Fische wiederum werden von größeren Raubfischen gefressen, und somit reichern sich die Toxine in der Nahrungskette an. Die Präsenz und Konzentration von bspw. Gambierdiscus können durch verschiedene Umweltfaktoren beeinflusst werden, einschließlich Wassertemperatur, Lichtverfügbarkeit und Nährstoffkonzentrationen. Darüber hinaus wird vermutet, dass die Zerstörung von Korallenriffen zu Veränderungen in der Ökosystemdynamik führen könnte, die die Vermehrung dieser Mikroalgen begünstigt und möglicherweise das Ciguatera-Risiko in bestimmten Regionen erhöht.[3]

Nicola Angeli/MUSE. Dinoflagellate - SEM MUSE. Nicola Angeli/MUSE. Einige Rechte vorbehalten: CC BY-SA 3.0. Angewandte Änderungen: Zuschneiden, Bildqualität
Es gibt rund 400 Fischarten, bei denen Ciguatoxine nachgewiesen wurden.[4] Die Fische produzieren diese Toxine nicht selbst, sondern reichern sie über ihre Nahrung an. Fische, die in Korallenriffen leben und sich dort ernähren, wie zum Beispiel Zackenbarsche, haben eine tendenziell höhere Konzentration an Ciguatoxinen. Häufig betroffene Fischarten sind außerdem der Barrakuda, die Muräne und die Bernsteinmakrele. Da es sich bei Ciguatoxinen um hitzestabile, geruchs- und geschmacksneutrale fettlösliche Verbindungen handelt, können diese durch herkömmliches Kochen nicht zerstört werden. Diese Toxine beeinflussen die Nerven- und Muskel-Funktionen im menschlichen Körper negativ. Die Symptome von Ciguatera variieren und können Durchfall, Erbrechen, Taubheitsgefühl, Juckreiz, Temperaturempfindlichkeit, Schwindel und Schwäche umfassen. Der Beginn der Symptome hängt von der aufgenommenen Toxinmenge ab und kann von einer halben Stunde bis zu einem Tag variieren.[5] In einigen Fällen können Symptome über Wochen bis Monate andauern.
Der Name „Ciguatera“ stammt von spanischen Einwanderern in Kuba, die eine Art von Lebensmittelvergiftung, verursacht durch den Verzehr einer dort als „Cigua“ bekannten Schnecke (Cittarium pica), als „Ciguatera“ bezeichneten.[6] Lange Zeit war der Mechanismus der Toxinbildung in Meeresfrüchten unbekannt. 1977 bestätigte jedoch ein Forschungsteam, einschließlich der Tohoku Universität, dass Gambierdiscus toxicus, eine Art von Dinoflagellaten, die Ursache ist und dass sich das Toxin in Meeresfrüchten durch Biomagnifikation anreichert.[7] Historische Hinweise für Ciguatera-Vergiftungen lassen sich bis ins Jahr 1774 zurückverfolgen, wie in den Reisetagebüchern von Kapitän James Cook dokumentiert ist.[8]
Wie sich Ciguatoxin in der Nahrungskette ansammelt
Ciguatoxin, ein marines Biotoxin, das sich in einem Organismus über die Nahrungsaufnahme anreichert, wird in der Nahrungskette zunehmend konzentrierter, da Raubfische, die kleinere Fische fressen, die bereits Ciguatoxine aufgenommen haben, größere Mengen des Toxins akkumulieren. Dieser Prozess wird als Biomagnifikation bezeichnet und trägt dazu bei, dass höher gelegene Ebenen der Nahrungskette mit einer größeren Konzentration von Toxinen belastet werden.

Diego Delso. Mero (Epinephelus marginatus), Cabo de Palos, España, 2022-07-15, DD 46, Crop. commons.wikimedia.org. Einige Rechte vorbehalten: CC BY-SA 4.0
Am Anfang der Nahrungskette stehen mikroskopisch kleine Meeresorganismen namens Dinoflagellaten, von denen Gambierdiscus eine bedeutende Gattung hinsichtlich Ciguatera ist. Diese Dinoflagellaten produzieren Ciguatoxine und sind in tropischen und subtropischen Gewässern rund um Korallenriffe anzutreffen. Herbivore Fische, die sich von Algen und anderen Organismen in der Nähe von Korallenriffen ernähren, nehmen diese Dinoflagellaten auf. Durch den Verzehr der Dinoflagellaten akkumulieren diese Fische geringe Mengen von Ciguatoxinen in ihrem Gewebe. Wenn nun Raubfische, die höher in der Nahrungskette stehen, diese Fische fressen, nehmen sie nicht nur die Ciguatoxine auf, die sich in den Geweben der herbivoren Fische angesammelt haben, sondern auch die Toxine, die sich über die Zeit in ihrem eigenen Gewebe akkumulieren. Das führt dazu, dass sich in Raubfischen höhere Konzentrationen von Ciguatoxinen ansammeln. Schließlich können Menschen, die am oberen Ende der Nahrungskette stehen, durch den Verzehr von kontaminierten Fischen, wie zum Beispiel Zackenbarsch oder Muräne, Ciguatoxine in potenziell schädlichen Mengen aufnehmen.
Die Konzentration von Ciguatoxinen in Fischen und der Zusammenhang mit der Größe der Fische scheint regional unterschiedlich zu sein. Eine Studie, die in Hongkong durchgeführt wurde, zeigte, dass über 80 % der Riff-Fische, die mit Ciguatera-Ausbrüchen in Verbindung gebracht wurden, ein Gewicht von über 2 Kilogramm hatten. Dies legt nahe, dass das Vermeiden von Fisch, der mehr als 2 Kilogramm wiegt, in Hongkong eine sinnvolle Vorsichtsmaßnahme sein könnte. Dennoch wurden auch Fische mit einem Gewicht von 0,6 Kilogramm oder weniger in Verbindung mit Ciguatera gebracht.[9]
Im Kontrast dazu fand die Studie von Gaboriau et al., 2014 in Französisch-Polynesien, dass die Größe der Fische nicht als effizienter Prädiktor für die Toxizität verwendet werden kann. Interessanterweise wurde in dieser Studie festgestellt, dass der Anteil toxischer Individuen für keine der untersuchten Arten mit der Größe zunahm und bei einigen Arten sogar mit zunehmender Größe abnahm.[10]
Diese Unterschiede deuten darauf hin, dass regionale Faktoren wie die Art der Fische, Umweltbedingungen und möglicherweise auch metabolische Prozesse bei verschiedenen Arten eine Rolle bei der Anreicherung von Ciguatoxinen spielen könnten. Die Daten zeigen die Notwendigkeit einer vertieften Erforschung der zugrunde liegenden Mechanismen der Ciguatoxin-Anreicherung in Fischen auf und verdeutlichen, dass einfache Empfehlungen bezüglich der Größe der zu verzehrenden Fische möglicherweise nicht ausreichend sind.
Symptome und Diagnose von Ciguatera-Vergiftung

Sushipedia. Ärztliche Untersuchung wegen Fischvergiftung. Alle Rechte vorbehalten ©
Ciguatera-Vergiftung äußert sich durch eine Reihe von Symptomen, die variieren können, aber typischerweise gastrointestinale, neurologische und kardiovaskuläre Beschwerden umfassen. Gastrointestinale Symptome treten oft früh auf und können Durchfall, Erbrechen und Übelkeit einschließen. Neurologische Symptome können Kribbeln, Juckreiz, Taubheitsgefühl und eine ungewöhnliche Empfindlichkeit gegenüber Temperaturunterschieden, insbesondere der Wahrnehmung von Kälte als Hitze, umfassen. Kardiovaskuläre Symptome können selten sein, aber eine verlangsamte Herzfrequenz und niedriger Blutdruck sind möglich. Einige neurologische Symptome können für Wochen oder sogar Monate nach der ursprünglichen Exposition gegenüber Ciguatoxinen anhalten.
Die Zeitspanne zwischen dem Verzehr von kontaminiertem Fisch und dem Auftreten der Symptome kann variieren, in der Regel tritt dies jedoch innerhalb von einigen Stunden bis zu zwei Tagen auf. Die Schwere der Symptome kann je nach aufgenommener Menge des Toxins variieren. Die Diagnose einer Ciguatera-Vergiftung basiert in erster Linie auf klinischen Symptomen in Verbindung mit einer Anamnese des kürzlichen Verzehrs von Fisch, insbesondere von Riff-Fischen. Eine Diagnose kann durch Berichte von ähnlichen Symptomen bei anderen Personen, die den gleichen Fisch konsumiert haben, unterstützt werden. Es gibt derzeit keine standardisierten Labortests für Ciguatoxine, die in klinischen Einstellungen weit verbreitet sind. Manchmal kann der verbleibende Fisch, wenn verfügbar, auf Ciguatoxine getestet werden, um die Diagnose zu unterstützen. Es ist entscheidend, sich der möglichen Symptome einer Ciguatera-Vergiftung bewusst zu sein und bei Verdacht auf eine solche Exposition rechtzeitig medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Da es keine spezifische Antitoxin-Behandlung für Ciguatera gibt, liegt der Schwerpunkt der medizinischen Versorgung auf der Linderung der Symptome und der Unterstützung der betroffenen Personen während der Erholungsphase.
Die neurotoxikologische Wirkung von Ciguatoxin: Ein Einblick in die Modulation von Natriumkanälen
Ciguatoxin ist das primäre Toxin, das in Zusammenhang mit der Ciguatera-Fischvergiftung steht. Das Verständnis seiner Auswirkungen auf das neuronale Netzwerk ist entscheidend für das Erfassen der Pathophysiologie dieser Erkrankung.

Sushipedia. Wirkung des Ciguatera-Gifts auf Nervenzellen. Alle Rechte vorbehalten ©
Nervenzellen, auch als Neuronen bezeichnet, sind essenzielle Bestandteile des Nervensystems und verantwortlich für die Übertragung elektrischer Signale im Körper. Die Plasmamembran dieser Zellen beherbergt verschiedene Ionenkanäle, darunter spannungsgesteuerte Natriumkanäle. Diese Kanäle sind entscheidend für das Erzeugen von Aktionspotentialen, welche die Grundlage für neuronale Signale bilden. Ciguatoxin interagiert spezifisch mit spannungsgesteuerten Natriumkanälen, indem es deren Schwellenpotential moduliert. Im Normalzustand öffnen sich diese Kanäle nur bei Erreichen einer bestimmten Membranspannung. Ciguatoxin jedoch senkt das Schwellenpotential, wodurch die Kanäle leichter aktiviert werden und vermehrt Natriumionen in die Zelle einströmen. Dies führt zu einer Hyperaktivierung des Neurons, das als Depolarisierung bezeichnet wird. Diese Depolarisierung führt zu einer veränderten Freisetzung von Neurotransmittern, einschließlich Gamma-Aminobuttersäure (GABA) und Dopamin. Diese Neurotransmitter sind in der neuronalen Signalübertragung entscheidend und beeinflussen eine Vielzahl von physiologischen Prozessen. Die unkontrollierte Freisetzung von Neurotransmittern als Reaktion auf die durch Ciguatoxin verursachte Depolarisierung kann erhebliche Auswirkungen auf das Nervensystem haben, einschließlich der Störung sensorischer Wahrnehmung und gastrointestinaler Funktionen.[11] [12][13]
In Anbetracht der signifikanten Auswirkungen von Ciguatoxin auf die neuronale Funktion und der daraus resultierenden klinischen Manifestationen der Ciguatera-Fischvergiftung, ist es für die Forschung von großer Bedeutung, das molekulare Wechselspiel zwischen Ciguatoxin und Natriumkanälen eingehend zu verstehen. Dies trägt nicht nur zum Verständnis der Pathophysiologie bei, sondern ist auch für die Entwicklung gezielter therapeutischer Ansätze zur Behandlung dieser Vergiftung von zentraler Bedeutung.
Die Verbindung zwischen Ciguatera und Sushi: Fisch als gemeinsamer Nenner
Sushi ist eine traditionelle japanische Speise, bei der häufig roher Fisch verwendet wird. Da Sushi oft aus Meeresfischen zubereitet wird, die in Korallenriffen leben, ist es wichtig, die Herkunft des Fischs zu berücksichtigen. Fische, wie der Zackenbarsch (hata ハタ), die Muräne (utsubo ウツボ), die Bernsteinmakrele (buri ブリ) und der Barrakuda (kamasu カマス) sind bekannt dafür, dass sie Ciguatoxine anreichern können. Diese Toxine sind, wie zuvor erwähnt, hitzestabil, geruchlos sowie geschmacklos und bleiben auch in rohem Fisch erhalten.
Im Kontext der Sushi-Zubereitung bedeutet dies, dass Fische, die in Regionen gefangen werden, in denen Ciguatoxin-produzierende Mikroorganismen wie Gambierdiscus vorhanden sind, ein potenzielles Risiko für Ciguatera-Fischvergiftung darstellen. Ciguatoxin ist durch Kochen nicht zu eliminieren, und bei rohem Fisch, wie er bei Sushi verwendet wird, bleibt das Toxin grundsätzlich intakt.
Ein kritischer Faktor, der das Risiko von Ciguatera-Vergiftungen erhöht, ist die Fehletikettierung von importiertem Fisch. Eine Studie, die über einen Zeitraum von drei Jahren 975 einzelne Fischimporte am Flughafen Frankfurt untersuchte, stellte fest, dass 31 % der Fische falsch etikettiert waren. Bemerkenswerterweise war die Präsenz von Ciguatera-anfälligen Arten unter den DNA-identifizierten, falsch etikettierten Fischen erheblich höher (46 %) im Vergleich zu korrekt etikettierten Fischen (17 %). Diese Fehletikettierung, die oft tropische Schnapper und Zackenbarsche betrifft, stellt ein unterschätztes Gesundheitsrisiko für Meeresfrüchtekonsumenten dar. Die Fehletikettierung kann dazu führen, dass ein Konsument unwissentlich Fisch verzehrt, der für Ciguatera anfällig ist. Dies betont die Wichtigkeit von Wachsamkeit und fundierten Entscheidungen bei der Auswahl von Fisch für Sushi. Es verdeutlicht zudem, dass Restaurants und Händler verlässliche Bezugsquellen nutzen und sich der potenziellen Risiken bewusst sein müssen.[14]
Geografische Risikofaktoren: Woher stammen gefährdete Fische?

Sushipedia. Verbreitungs- und Expansionsgebiet Ciguatera. Alle Rechte vorbehalten ©
Ciguatera-Vergiftungen kommen in bestimmten geografischen Gebieten häufiger vor. Das Auftreten von Ciguatoxinen in Fischen ist eng mit dem Vorkommen von Gambierdiscus-Toxin-produzierenden Mikroorganismen verbunden, die in tropischen und subtropischen Gewässern um Korallenriffe herum gedeihen. Demzufolge sind die Fische, die in diesen Gebieten leben und sich von Organismen ernähren, die in oder um Korallenriffe herum vorkommen, potenziell mit Ciguatoxinen kontaminiert.
Die pazifischen Inseln, insbesondere Polynesien, Melanesien und Mikronesien, sowie das Karibische Meer und der Indische Ozean sind Gebiete, in denen von Ciguatera-Vergiftungen häufiger berichtet wird. Innerhalb dieser Ozeane befinden sich die betroffenen Gebiete hauptsächlich zwischen den Breitengraden 35°N und 35°S, was den tropischen und subtropischen Zonen entspricht.[15]
Es ist wichtig zu beachten, dass die geografische Herkunft eines Fischs aufgrund des globalen Handels mit Meeresfrüchten nicht unbedingt mit dem Ort übereinstimmen muss, an dem er konsumiert wird. Fische, die in einem Gebiet gefangen werden, das für Ciguatera-Vergiftung bekannt ist, können in verschiedenen Teilen der Welt verkauft werden. Somit ist es für Konsumenten ratsam, sich über die Herkunft des Fischs zu informieren und bei Fischen aus Risikogebieten vorsichtig zu sein. Zudem können Umweltfaktoren wie der Abbau von Korallenriffen und Klimaveränderungen das Vorkommen von Ciguatera beeinflussen, indem sie das Wachstum der Mikroorganismen fördern, die Ciguatoxine produzieren. Dies unterstreicht die Notwendigkeit der fortlaufenden Überwachung und Forschung zu den Umweltbedingungen, die mit Ciguatera-Vergiftungen in Verbindung stehen.
Ciguatera in Europa: Wissenschaftliche Initiative zur Prävention und Überwachung

Simo Räsänen. Seixal village as seen from air above the ocean in Porto Moniz, Madeira, Portugal, 2023.. commons.wikimedia.org. Einige Rechte vorbehalten: CC BY-SA 4.0. Angewandte Änderungen: Zuschneiden, Bildqualität
Ciguatera, einst als auf bestimmte globale Regionen beschränktes Phänomen betrachtet, gewinnt in Europa an Bedeutung. Insbesondere wurden seit 2008 in Spanien und Portugal Ausbrüche von Ciguatoxin-Vergiftungen auf den Kanarischen Inseln und Madeira gemeldet. Seit 2012 wurde in Deutschland jährlich mindestens ein Ciguatera-Ausbruch registriert, bei dem bis zu 20 Personen betroffen waren.BFR, 2021 Um diese wachsende Gesundheitsbedrohung anzugehen, wurde das EuroCigua-Projekt ins Leben gerufen. Die Hauptziele des Projekts umfassen die Erfassung von Daten zur Häufigkeit von Ciguatera-Fällen, die Entwicklung und Etablierung zuverlässiger Analysemethoden zur Erkennung von Ciguatoxin in Fisch und Mikroalgen, sowie die Untersuchung der zeitlichen und räumlichen Verteilung von Gambierdiscus spp., dem Mikroorganismus, der Ciguatoxine produziert.[16]
In Europa sind Ausbrüche von Ciguatera-Vergiftungen sowohl auf den Verzehr von in der EU gefangenem Fisch (autochthone Ausbrüche) als auch auf den Verzehr von importiertem Fisch zurückzuführen. Die autochthonen Ausbrüche wurden lediglich aus Spanien (Kanarische Inseln) und Portugal (Madeira) gemeldet. Hinsichtlich der Ausbrüche durch importierten Fisch wurden die meisten Fälle aus Deutschland und Frankreich berichtet, wobei die Niederlande im Jahr 2020 einen Ausbruch verzeichneten. Bei den in der EU gefangenen Fischen wurden Zackenbarsche (Epinephelus marginatus), Muränen (Enchelycore spp.), Zweibindenbrassen (Diplodus vulgaris) und Bernsteinmakrelen (Seriola spp.) am häufigsten mit Ciguatera in Verbindung gebracht, während bei importiertem Fisch insbesondere die Gattung Lutjanus, die aus Indien und Vietnam eingeführt wurde, betroffen war.[17]
Die Analyse von Ciguatoxinen erweist sich als besonders herausfordernd, da die Toxine in niedrigen Konzentrationen wirksam sind und in unterschiedlichen chemischen Strukturen auftreten. Derzeit gibt es keine standardisierte Analysemethode für die routinemäßige Untersuchung von Fisch auf Ciguatoxine.
Ein Schwerpunkt des EuroCigua-Projekts liegt auch auf der Prävention von Ciguatera-Vergiftungen. Informationsmaterialien, einschließlich eines Faltblatts mit Empfehlungen, wurden erstellt. Die Empfehlungen enthalten Ratschläge, wie den Verzicht auf den Verzehr der Innereien tropischer Raubfische, die hohe Konzentrationen von Ciguatoxinen enthalten können. Es wird auch darauf hingewiesen, dass Ciguatoxin hitzestabil ist und durch Kochen nicht zerstört wird. Da das Toxin farb-, geruch- und geschmacklos ist und nicht mit bloßem Auge erkannt werden kann, wird empfohlen, bei Auftreten von Symptomen einschließlich Magen-Darm- und neurologischen Störungen umgehend medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen und die zuständigen Behörden zu informieren.
Prävention und Aufklärung: Sicheres Sushi genießen
Die geschätzte weltweite Inzidenz von Ciguatera liegt jährlich bei 20.000 bis 50.000 Menschen, wobei viele Fälle vermutlich nicht gemeldet werden.[18][19] Ciguatera tritt hauptsächlich in subtropischen und tropischen Gewässern auf, insbesondere im Pazifik und in der Karibik, wobei der Export von Riff-Fischen häufig für Fälle in anderen Regionen verantwortlich sind. Die Wahrscheinlichkeit, an Ciguatera zu erkranken, hängt demnach von verschiedenen Faktoren ab, einschließlich des geografischen Standorts und der Art des verzehrten Fischs. In Regionen mit tropischen und subtropischen Gewässern, besonders im Pazifik und in der Karibik, ist das Risiko tendenziell höher. Zudem steigt die Wahrscheinlichkeit beim Verzehr von bestimmten Fischarten wie zum Beispiel Zackenbarschen, die in Riffen leben. Um das Risiko einer Ciguatera-Vergiftung beim Verzehr von Sushi zu minimieren, sind grundsätzlich Prävention und Aufklärung von zentraler Bedeutung. Es ist wichtig, Kenntnisse darüber zu haben, welche Fischarten potenziell kontaminiert sein könnten und bewusste Entscheidungen bezüglich des Konsums zu treffen.
- Erstens sollte man den Verzehr bestimmter Fischarten, die bekanntermaßen ein höheres Risiko für Ciguatoxin-Kontamination aufweisen, einschränken. Dazu gehören unter anderem Barrakuda, bestimmte Arten von Zackenbarschen und Muränen. Es ist empfehlenswert, vor dem Kauf oder der Bestellung von Sushi Informationen über die in den Gerichten verwendeten Fischarten einzuholen.
- Zweitens ist es ratsam, sich über die Herkunft des Fisches zu informieren. Wie bereits erwähnt, sind Fische aus bestimmten geografischen Gebieten anfälliger für Ciguatoxin-Kontamination. Wenn möglich, sollte man Fisch aus Gebieten wählen, die nicht als Hochrisikozonen für Ciguatera bekannt sind.
- Drittens ist es wichtig, sich darüber im Klaren zu sein, dass herkömmliche Zubereitungsmethoden, einschließlich Kochen, das Ciguatoxin nicht zerstören. Daher sollte man nicht davon ausgehen, dass das Erhitzen des Fisches eine ausreichende Schutzmaßnahme darstellt.
Die Aufklärung von Verbrauchern und Gastronomiebetrieben über Ciguatera und die damit verbundenen Risiken s ebenso von Bedeutung. Restaurants bzw. deren Mitarbeiter sollten besonders geschult werden, um das Bewusstsein für Ciguatera zu schärfen und um in der Lage zu sein, ihre Kunden sachkundig zu beraten. Dies gilt insbesondere für Betriebe, die Fisch aus den Risikozonen importieren, bspw. als Tiefkühlware, sowie für jene, die in betroffenen Gebieten Sushi aus Fisch zubereiten. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Ciguatera ein inhärentes Risiko beim Verzehr von Riff-Fischen darstellt, hauptsächlich, wenn diese aus potenziell betroffenen Gebieten stammen. Obwohl die Wahrscheinlichkeit einer Ciguatera-Vergiftung relativ gering ist, ist es wichtig, sich dieses Risikos bewusst zu sein. Trotz Bemühungen zur Verbesserung der Erkennung und Prävention von Ciguatera, einschließlich der Identifizierung und korrekten Kennzeichnung von Fischen, gibt es keinen absoluten Schutz gegen diese Form der Lebensmittelvergiftung. Einzig der Verzicht auf den Verzehr von Riff-Fischen aus potenziellen RGebieten kann ein absoluter Schutz vor Ciguatera sein. Daher sollte jeder Verbraucher eine informierte Entscheidung über den Fischkonsum treffen und die potenziellen Risiken gegen die Vorteile abwägen.
Quellen und weiterführende Literatur
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